Der Zusammenhang zwischen Atemwegsviren und Krebs wird immer konkreter. Eine neue Studie veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature hat gezeigt, dass Infektionen wie COVID-19 oder Grippe einen biologischen Prozess auslösen können, der ruhende Tumorzellen „aufweckt“ und so das Risiko von Lungenmetastasen erhöht. Experimente an Mausmodellen zeigen, wie die durch diese Viren verursachte Entzündung die Vermehrung ruhender Krebszellen stimuliert. Die Daten, die durch Analysen von Krebspatienten in Remission bestätigt werden, deuten auf potenziell dramatische Auswirkungen auf Krebspatienten hin. Hier erfahren Sie, was die Studie aussagt und warum sie unseren Umgang mit Infektionskrankheiten bei Krebspatienten verändern könnte.
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Die von einem internationalen Team unter der Leitung von Wissenschaftlern des Anschutz Medical Campus der University of Colorado durchgeführte Forschung hat gezeigt, dass Atemwegsviren wie SARS-CoV-2 und Influenza A Aktivierung disseminierter und ruhender Tumorzellen in der LungeDiese Zellen, die selbst nach der Remission des Brustkrebses jahrelang inaktiv blieben, zeigten innerhalb weniger Wochen nach der Infektion ein beschleunigtes Wachstum und die Bildung neuer Metastasen. Dieses Phänomen wurde in Tiermodellen mit HER2-positivem Brustkrebs beobachtet. Wissenschaftler verzeichneten eine 100- bis 1.000-fache Zunahme der inaktiven Zellen im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen.
Auslöser des Prozesses ist ein spezifisches Molekül: Interleukin-6 (IL-6), ein entzündungsförderndes Zytokin, das bei Atemwegsinfektionen produziert wird. Bei Mäusen ohne das IL-6-Gen kam es nicht zur Reaktivierung ruhender Tumorzellen. Diese Daten deuten darauf hin, dass eine akute Entzündung durch Viren wie SARS-CoV-2 der eigentliche Auslöser ist, der den Prozess wieder in Gang setzt. Vermehrung von KrebszellenIL-6 ist bereits für seine Rolle bei Krebs bekannt und könnte zu einem wichtigen therapeutischen Ziel für die Verhinderung von Rückfällen und Metastasen nach Remission werden.
Ein weiterer beunruhigender Aspekt der Entdeckung betrifft die Wechselwirkung zwischen Immunzellen und Tumoren. Die Studie zeigte, dass CD4+ T-Zellen, die bei Virusinfektionen aktiviert werden, die Wirkung von CD8+ T-Zellen behindern können, die normalerweise für die Zerstörung von Tumorzellen verantwortlich sind. Dieses Immunungleichgewicht könnte daher die Ausbreitung von Metastasierung, sobald ruhende Zellen reaktiviert werdenEine Entdeckung, die die komplexe Beziehung zwischen dem Immunsystem und Krebs hervorhebt.
Die Experimente wurden an Mäusen mit Brustkrebs in Remission durchgeführt, denen inaktivierte Atemwegsviren verabreicht wurden. Die Forscher beobachteten ein schnelles Wachstum ruhender Tumorzellen in der Lunge. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Infektion ausreicht, um einen klinisch gesunden Organismus in einen fruchtbaren Wirt für die Metastasierung zu verwandeln. Dieser Effekt wurde in Modellen ohne entzündliche Reaktion auf IL-6 nicht beobachtet, was die zentrale Rolle des Zytokins in diesem Prozess bestätigt. Laut den Autoren ist dies einer der stärksten experimentellen Beweise für den Zusammenhang zwischen Virusinfektionen und Krebsrezidiven.
Die an Mäusen erzielten Ergebnisse werden auch durch retrospektive Analysen klinischer Daten beim Menschen gestützt. Mithilfe der UK Biobank-Datenbank, die medizinische Informationen von über 500.000 Menschen sammelt, haben Forscher ein erhöhtes Krebssterberisiko bei Krebspatienten, die sich mit Covid-19 infiziert hattenEin ähnlicher Trend wurde auch in Daten von Flatiron Health in den USA beobachtet. Dort wurde bei Krebspatienten, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, ein um 40–50 % erhöhtes Risiko für Lungenmetastasen festgestellt. Diese Daten deuten darauf hin, dass Virusinfektionen auch beim Menschen einen erheblichen Einfluss auf das Fortschreiten von Krebs haben.
Die Entdeckung eröffnet neue Wege für die klinische Behandlung von Krebspatienten. Die Autoren schlagen vor, präventive Maßnahmen gegen Atemwegsinfektionen in die Nachsorge von Patienten in Remission einzubeziehen. Grippe- und COVID-19-Impfungen könnten die Häufigkeit einer Tumorreaktivierung im Zusammenhang mit akuten Entzündungen verringern. Darüber hinaus könnten sich Medikamente, die IL-6 hemmen und bereits bei anderen entzündlichen Erkrankungen eingesetzt werden, bei der Vorbeugung von Metastasen als wirksam erweisen. Diese Perspektive bedarf weiterer klinischer Untersuchungen, bevor sie zur Standardtherapie wird.
Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat die Studie mit großem Interesse aufgenommen. Laut dem Science Media CentreDie Stärke dieser Arbeit liegt in der Übereinstimmung zwischen Mausmodellen und Humandaten. Obwohl weitere klinische Studien erforderlich sind, unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung der Virusprävention bei Krebspatienten. In Zukunft könnten wir eine neue Integration zwischen Onkologie und Infektionskrankheiten erleben, mit gemeinsamen Strategien zur Verringerung des Tumorrückfallrisikos nach häufigen saisonalen Infektionen.